Das Handy des Priesters

Ich wüsste zu gern, was er so heute damit macht, am Dienstag nach Ostern. Am Anfang der Karwoche hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen, als ich mir die Kirche anschaute. Da saß er dort, wo man einen katholischen Priester auch vermuten kann: in einem Beichtstuhl. Und dort hatte er es natürlich nicht an, sein Handy. Er hatte es auch nicht, wie gewöhnliche Männer, irgendwo an sich rumhängen.

Soutane und Ornat sehen (bisher) keine Brusttasche oder Gürtelschnalle für ein Handy vor. Das alles weiß ich deshalb genau, weil dieser Beichtstuhl in der Kirche in Arrecife, der Hauptstadt Lanzarotes, weithin einsehbar für die Touristen ist, die gerade die Kirche besuchen.

Das Handy des Priesters hing einige Meter entfernt am Ende einer Gestühlreihe. Dort hatte ich es ihn wieder abnehmen sehen, nachdem sich das letzte beichtwillige Mitglied seiner Gemeinde aus der Knielage im Beichtstuhl erhob.

Weil ich noch etwas über die Kunstschätze der Kirche wissen wollte, wartete ich auf den Priester. Außerdem - das hatte ich mit neidischem Blick gesehen -besaß er jenes mehrfach preisgekrönte Handy-Modell, mit dessen Anschaffung ich schon länger schwanger ging. Unser Gespräch kam in Gang mittels jener Mixtur aus gemeinsamem Englisch, seinem Spanisch und meinem Latein und thematisierte das Gemisch von Kirchen, Kunstschätzen und Handy-Programmen.

Ich erfuhr, dass das Handy des Priesters brandneu war. Er würde es zum ersten Mal in der Karfreitags-Prozession einsetzen. Er würde, erzählte er und nahm zum Englisch, Spanisch und Latein noch die Körpersprache hinzu, er würde zum ersten Mal bisher schwierige Koordinierungsaufgaben während des dramatischen Karfreitagszuges durch die Innenstadt via Handy leicht lösen können.

Für die habe es bisher immer umständlicher Kuriere bedurft, die Anfang, Mitte und Ende der verschieden langen Prozessionszüge der Stadtteile untereinander abstimmten. Zirka 15 Handys seien dieses Jahr unter den Kutten und Talaren im Einsatz - mit vorprogrammieren Kurznummernwahltasten und signaltechnisch auf „laute Umgebung" (8 Musikzüge) programmiert.

Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könne, dass eines Tages auch die Beichte nicht mehr im Beichtstuhl stattfindet, sondern per Handy. Der Priester lächelte und korrigierte: Sein Handy ermögliche schon heutzutage Beichtgespräche Meist von Menschen, die in Kirche und Beichtstuhl nie kommen würden. Also werden Soutanen, Lutherröcke und Talare der Zukunft doch Halterungsschlaufen für Handys ausweisen.

 

17. April 2001